Felix Reuter baut Gitarren aus Leidenschaft. In Workshops vermittelt er das traditionelle Handwerk seit über 20 Jahren.
Mit seinem Gitarrenbauatelier gehört Felix Reuter zu den Urgesteinen im Kölner Stadtteil Sülz. Klassische Konzertgitarren, Stahlsaitengitarren und Modelle mit ausgefalleneren Bauformen schmücken die Räumlichkeiten des alten Eckhauses. Die meisten Instrumente hat der gebürtige Euskirchener selber gebaut. Mit handwerklichem Geschick und viel Liebe zum Detail. Gelegentlich restauriert oder repariert Felix historische und in die Jahre gekommene Gitarren. Das alles geschieht in der Werkstatt des Ateliers. Hier spielt die eigentliche Musik – vor allem in Gitarrenbaukursen.
Ein warmes Licht erhellt die Werkstatt. Es riecht nach Holz und Leim. Sägen, Hobel, Ziehklingen und Stechbeitel – alle Werkzeuge haben ihren festen Platz. Gitarrenformen und Biegemaschinen lassen keinen Zweifel daran, was hier gebaut wird. Große Holztische mit Schraubstöcken dienen als Arbeitsplätze. Vier, um genau zu sein. Denn Felix ist selten allein im Atelier. Unter seiner Anleitung können auch Laien die Kunst des Gitarrenbaus erlernen. Das Angebot findet Zuspruch: „Es gibt Wartelisten und einige kommen nach der ersten Gitarre wieder“, so Felix. Auch ich wurde über dieses Angebot auf ihn aufmerksam. Anstatt (mal wieder) eine neue Gitarre zu kaufen, die ich ehrlicherweise nicht brauche, zahle ich nun für ein – wie sich in den kommenden Monaten herausstellen wird – tolles Erlebnis.
Unter der Anleitung des erfahrenen Gitarrenbauers werde ich eine Konzertgitarre nach meinen eigenen Vorstellungen zum Leben erwecken. „100 Stunden musst du ungefähr einkalkulieren“, blickt Felix auf das bevorstehende Pensum. Er erklärt die einzelnen Schritte. Holzzuschnitt, Schleifen, Hobeln, Zargen biegen, Hals schnitzen und, und, und… Mich beschleicht ein leichtes Gefühl der Überforderung, das Felix mit einem „alles wird gut“ lächelnd beiseiteschieben kann. Nach über 20 Jahren Gitarrenbau sieht er vieles sehr entspannt.
Quereinstieg in den Gitarrenbau
In den 80er-Jahren studiert Felix zunächst Musikpädagogik mit Gitarre im Hauptfach, weil er keinen Ausbildungsplatz als Geigenbauer bekommt. Durch das Studium fand er dennoch den Weg ins Handwerk: „Mein Dozent Prof. Ulrich Müller hat mich in die Kunst des Gitarrenbaus eingeführt.“ Seine erste Gitarre baut er 1986. Das Thema lässt ihn auch später nicht mehr los. Bücher über die Geschichte des Gitarrenbaus und über die unterschiedlichen Bauformen inspirieren Felix zu eigenen Ideen. 2003 eröffnet er schließlich sein Atelier, um sich voll und ganz auf den Gitarrenbau konzentrieren zu können.
Das richtige Holz
Im Holzlager seines Ateliers wird Felix‘ Leidenschaft für den Gitarrenbau besonders deutlich: „Die Qualität steht und fällt mit hochwertigen Materialien.“ Die findet er bei spezialisierten Händlern, aber auch mal in uralten Dielenböden und Balken. Mit der Auswahl der Hölzer beginnt mein erster Tag in der Werkstatt. Die Gitarre soll schön aussehen und gut klingen. Ich schaue, was mir gefällt, vertraue aber auf Felix‘ Expertise. Fichte sei für die Decke einer Konzertgitarre optimal, besonders langsam gewachsene Hölzer. Für den Boden und die Zargen nehme ich Australian Blackwood, ein etwas dunkleres, hübsch gemasertes Holz. Auch über das weitere Design muss ich mir bereits Gedanken machen, weil beispielsweise das Schallloch schon sehr bald verziert wird.
Die ersten Arbeitsschritte, das Schleifen, Sägen und Hobeln der Korpusteile, begleitet Felix mit beeindruckender Ruhe. Wie viele seiner Werkstattgäste habe auch ich noch nie mit einem Hobel, einer Ziehklinge oder einem Stechbeitel gearbeitet. Es braucht viel Übung, um das Potenzial der Werkzeuge voll auszuschöpfen. Nach wenigen Stunden bekomme ich ein erstes Gefühl dafür. Wie viel Material wird abgetragen? In welche Richtung arbeitet es sich besser? Langsam, aber sicher nähre ich mich an die jeweilige Form der einzelnen Komponenten an. Das eindrucksvollste Beispiel ist der Hals. Insbesondere vor dem gewölbten Fuß am Korpus haben viele Respekt. Die Schnitzarbeit leert mich aber schnell, dass es gut wird, wie Felix immer wieder bekräftigt.
Gitarrenbau wie vor 200 Jahren
Felix arbeitet nach der traditionellen spanischen Bauweise. Das heißt, zunächst werden Decke und Boden mit Stabilisierungsbalken versehen. Auch die bereits gebogenen Zargen bekommen stärkende Randstreifen. Die nächsten Schritte gehen von der Decke aus. Wir leimen den Hals auf die Innenseite, gefolgt von den Zargen. Erst am Ende verschließt der Boden den Gitarrenkorpus. Die Gitarre hat nun ihre Form. Bis ich die Saiten aufziehen kann, ist allerdings noch viel zu tun. „Das ist ungefähr die Halbzeit“, gibt Felix einen Ausblick. Es folgen noch folgen zahlreiche Feinarbeiten.
Bei ein paar entscheidenden Arbeitsschritten unterstützt Felix gerne, weil ihm wichtig ist, dass alle mit einem guten Instrument nach Hause gehen. Er fräst beispielsweise die Ränder des Korpus, damit die Randstreifen präzise passen. Auch die millimetergenauen Schlitze für die Bundstäbchen sägt er maschinell vor, damit später jeder Ton dort sitzt, wo er hingehört.
Mit dem immer näher rückenden Ziel fällt mir die handwerkliche Arbeit etwas leichter. Gleichzeitig merke ich, dass es nun umso mehr auf Genauigkeit und Sauberkeit ankommt. Kleine Fehler sind und bleiben sichtbar, wenn man sie nicht gleich korrigiert. „Du musst genau arbeiten. Nur dann wird es gut“, scherzt Felix. Dass er damit natürlich auch recht hat, werde ich an der einen oder anderen Stelle noch sehen. Zum Glück lassen sich kleinere Ausrutscher in den meisten Fällen beinahe vollständig ausbessern. Ein Beispiel: Der Gitarrenfuß hat auf beiden Seiten Schlitze, in die die Zargen eingeklemmt werden. Einen davon hatte ich etwas zu schräg gesägt. Es blieb ein unschöner Spalt. Felix bleibt entspannt: „Da legst du ein Stück Furnier rein. Das verschließt du mit Schleifstaub und Sekundenkleber.“ Ich bin skeptisch, aber es funktioniert einwandfrei.
Schellack Schicht für Schicht
Meine größte Herausforderung finde ich in der Schellackpolitur. Es klingt so einfach. Ein Stück Wollstoff mit einem weichen Baumwolltuch umwickelt wird mit Schellack getränkt. In Verbindung mit etwas Öl trägt man ihn auf. In kreisenden Bewegungen über das Holz, wieder und wieder. Der Lack baut sich allmählich auf. Ich werde zuversichtlicher. Schließlich ist der Schellack verhältnismäßig gut verteilt – besser als ich befürchtet hatte. Auch hier zählt für mich, dass ich es selber gemacht habe, nicht das objektiv perfekte Ergebnis.
Die fertig lackierte Gitarre ist nun bereit für die letzten Arbeitsschritte. Felix unterstützt noch einmal, damit der Saitenhalter korrekt aufgeleimt wird. Die Knochenstücke für den Sattel und den Steg bringe ich mit Feilen auf das korrekte Endmaß. Spätere Nacharbeiten sind hier nicht ungewöhnlich und in meinem Fall auch erforderlich. Die Saitenlage ist mir noch zu hoch.
Gitarre mit persönlicher Note
Am Ende wird tatsächlich alles gut. Ich halte eine Konzertgitarre in den Händen, die es so kein zweites Mal gibt. Sie ist das persönliche Ergebnis einer handwerklichen Arbeit, in die ich – wie prognostiziert – rund 100 Stunden lang eintauchen durfte. Die individuellen Designelemente werden mich immer an die einzelnen Arbeitsschritte erinnern. Auch ein, zwei kleinere Fehler, die während so einer Zeit nicht ausbleiben, gehören dazu. All das macht die die Gitarre zu einem sehr individuellen Instrument. Ich gebe ihr die Bezeichnung CG1-ABW (Classical Guitar 1 – Australian Blackwood). Freunde fragen, ob sie besser klingt als meine anderen Gitarren. Mein stark subjektiv geprägtes Gefühl sagt natürlich ja. Auch objektiv gesehen passt alles. Die Hölzer haben viel Resonanz, die Saiten klingen angenehm und gleichzeitig kräftig. Der entscheidende Punkt bleibt jedoch: Es ging um die einmalige Erfahrung, ein Instrument selber zu bauen. Ok, es bleibt nicht einmalig, denn nach der Gitarre ist vor der Gitarre. Auch ich komme wieder: Eine Westerngitarre kann ich wirklich noch gut gebrauchen.